Durch die voranschreitende Erwärmung der maritimen Antarktis und der damit einhergehende Rückzug der Gletscher entsteht seit Jahrtausenden neues Land. Dieser kritische Prozess, der durch den Klimawandel zudem verstärkt wird, bringt insbesondere für Bodenwissenschaftler, Algenforscher und Molekulargenetiker eine Reihe neuer Forschungsmöglichkeiten mit sich.
Auf den südlichen Shetlandinseln lässt sich, wie in Zeitlupe, die Entwicklung von Boden- und Ökosystemen beobachten. Dieser Ort bietet dabei ideale Möglichkeiten, um zu verstehen, wie aus einem Haufen Geröll fruchtbare Erde wird: Bei dieser erstaunlichen Verwandlung spielen Organismen und ihre Interaktion eine entscheidende Rolle. Bis vor Kurzem glaubte man, dass die Verwitterung des Gesteins durch physikalische und chemische Prozesse kontrolliert wird. Jedoch zeigen immer mehr Befunde, dass Verwitterung maßgeblich durch Organismen beeinflusst wird, die Photosynthese betreiben.
Angefangen bei Blaualgen, die den Grundstock der Ökosystembildung legen, über Grünalgen und Flechten, die langsam die organische Bodensubstanz erhöhen, ist der Boden nach etwa 4000 Jahren in der Lage, genügend Wasser und Nährstoffe zu speichern: Es erscheinen die ersten Flechten und Moose, welche über Symbiosen verfügen. Hier wird nun eine direkte Verbindung zwischen den Orten der Photosynthese und der Mineralverwitterung im Boden hergestellt, was die biologisch getriebene Verwitterung beschleunigt. Schneller umsetzbare organische Substanzen, wie zum Beispiel Zucker und organische Säuren, fließen in den Boden und ändern dort Natur und Beschaffenheit der organischen Bodensubstanz. Weitere 3000 Jahre später kann man Erde in der Hand halten, die sich auf den ersten Blick kaum vom Gewohnten unterscheidet. Den Studien nach ist es wahrscheinlich, dass die Bodenbildung auf unserem Planeten viel schneller und auch zielgerichteter vonstatten ging als bisher gedacht.
Die Antarktis stellt für diese Untersuchung der Koevolution zwischen Pflanzen und Boden die perfekte Umgebung dar. Während in anderen gemäßigteren und weniger isolierten Regionen, wie zum Beispiel den Gletscherrückzugsgebieten der Alpen, Messwerte durch Organismen aus der Nachbarschaft verfälscht werden können, besteht diese Gefahr in der Antarktis nicht.
Die Forschungen in der Antarktis werden geleitet von Dr. Jens Boy, Hochschulassistent am Institut für Bodenkunde, Prof. Dr. Georg Guggenberger, Leiter des Instituts für Bodenkunde der Leibniz Universität Hannover, sowie von Prof. Dr. Robert Mikutta von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.
Den ausführlichen Bericht über die Forschungsarbeit „Es grünt so grün“ finden Sie in dem DFG-Magazin „forschung“, Ausgabe 4/2016, S. 4 ff, auf der Website der Deutschen Forschungsgemeinschaft